Monday, March 12, 2007

In einer lauen Sommernacht

Schön, ich neige zu Übertreibungen, aber es ist eine außergewöhnlich warme Montrealer Märznacht, will meinen: deutlich über dem Gefrierpunkt. Das inspiriert zu imaginären Höhenflügen, die den Frühling in der Luft spürbar werden lassen. Ich habe das dringende Bedürfnis danach, in Rock und Jäckchen den Mont Royal zu erklimmen und oben angekommen zur Belohnung ein Kugeleis zu schlecken. Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte... Winter ade, scheiden tut weh, aber dein scheiden macht, dass mir das Herze lacht... Ich habe diesen Satz als Kind nicht verstanden: wenn scheiden weh tut, wer kann so garstig sein, darüber zu lachen? Gar bösartig. Und zutiefst menschlich.
Während ich heute in der Mittagspause in einem Artikel über College-Slang blätterte, fand ich den interessanten Begriff "pinning" a quasi-engaged girl. Eine kurze Googelei ergab nur, dass Pinning auf Lavaliering folge. Ich war so schlau wie zuvor, doch eine Webseite mit Glossar zu Verbindungsslang an nordamerikanischen Universitäten schaffte Aufschluss: Es handelt sich um uralte courting rituals mit denen sich Kappas, Gammas und Omega-drei-Säuren (find the odd one out) den Hof machen.
Szenario: Junge gehört einer Bruderschaft (fraternity), Mädchen einer Schwesternschaft (sorority) an und es formt sich ein zartes Band zwischen ihnen. Geht dieses Band über gelegentliches aufdemRücksitzknutschen und amgleichenMilkshakeschlürfen hinaus, will sagen, wird die Beziehung ernster, so markiert der Junge sein Revier, indem er dem Mädchen ein Lavalier schenkt. Dabei handelt es sich um eine Kette, die griechische Letter als Anhänger hat. Das Mädchen verkündet ihren sozialen Aufstieg vom Dating-Girl zum seriously-dating-someone-girl in einem candlelight Ritual ihrer Schwesternschaft: Alle Verbindungsmädel stehen in einem Kreis, die Hausmutter zündet eine Kerze an (die angeblich von dem fraglichen Mädchen selbst gezogen wird), die Kerze wandert von Hand zu Hand, bis sie vom seriously-dating-someone girl ausgeblasen wird. Macht die Kerze einmal die Runde, bevor sie ausgeblasn wird, bedeutet das Lavaliering, geht sie jedoch zweimal herum, so ist das Mädchen gepinnt worden. Jedes Verbindungsmitglied besitzt für offizielle Anlässe einen Anstecker (pin) mit den griechischen Buchstaben ihrer/seiner Verbindung. Bietet unser Romeo seiner Julia den Pin dar, so ist sie so gut wie verlobt (erinnert stark an das Brandmarken einer Kuh, oder gehts nur mir so?). Der Junge signalisiert damit, dass er seine Herzallerliebste über die Bruderschaft stellt. Tja, und das kann schonmal Ärger geben: Ich las von einem, der des Nachts aus seinem Zimmer geholt und in Unterhosen only an den Laternenpfahl gebunden wurde, weil seine Verbindung sich verraten fühlte. Was tut man nicht alles für die Liebe? Andere Verbindungen scheinen eher in Amors Dienste zu treten, wenn sie der Julia im Namen ihres Liebsten ein Ständchen bringen.
Wandert die Kerze ein drittes Mal im Kreis herum, so kündigt das Mädchen somit seine Verlobung an.
Ähnlich komplizierte courtship rituals sind wahrscheinlich nur bei Blaufußtölpeln üblich. Ils sont foux, les Américain.

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