Wednesday, February 21, 2007

Theo, mach mir ein Bananenbrot!

Da mussten fünf lange Stunden plattgesessenen Hinterns auf Schreibtischstuhl vergehen bis ich mich dazu überwinde, die Feder aufzunehmen, einmal kurz ins Tintenfass zu tippen, und in freudiger Erwartung eines kaum hörbaren Kratzens ehrfürchtig auf dem angerauhten Papier anzusetzen.
Schön wärs gewesen. Manches geht beim Blogschreiben schon verloren. Man stelle sich nur Goethe (der einen Tag nach mir Geburtstag hatte!) vor, wie er kurz innehält, die Finger aneinanderlegt, sie knacken lässt... und dann beginnt, emsig auf die schwarzen Computertasten einzuhämmern. Da geht einem völlig die poetische Laune ab. Oder Shakespeare: "Shall I compare thee to a summer's day?" Und in einem Schlag fährt der Cursor über die getippte Zeile, löscht und hinterlässt ein weißes Blatt Papier (metaphorisch gesprochen). Auf Papier musste man sich wenigstens mit dem Geschriebenen auseinandersetzen, auch mit dem Durchgestrichenen, Verworfenen. Es bleibt geschrieben, als Vergleich, als Ansporn, besser, präziser auszudrücken, was ausgedrückt werden will. Und da Papier teuer war, wurde es auch seltenst in einem Anfall kreativer Verzweiflung zusammengeknüllt und in den Papierkorb gepfeffert (Auch wenn Shakespeare in Love das anders dargestellt hat).
Beim Blogschreiben dagegen schweift man gern einmal ab. Was seit Virginia Woolf ja auch à la mode ist. Aber für den Leser eher anstrengend. Eben jener mag sich nämlich mittlerweile fragen, was das alles mit Theo und einem Bananenbrot zu tun hat. Oder er hat den Titel dieses Eintrags bereits vergessen.
Also kurz zum Bananenbrot, um den Arbeitsspeicher des geschätzten Lesers (heute keine gender equality, der Leser bleibt der Leser, ob mit x oder y Chromosom) zu entlasten. In unserer Cafeteria gibt es dieses wirklich vorzügliche Bananenbrot, saftig, kalorienreich, einfach lecker. Und das wollte ich mal selbst ausprobieren. Welch herbe Enttäuschung, als ich die Ofentür öffnete und das Brot dunkelbraun aussah. Dunkelbraun ist eine schöne Farbe, wenn man im August aus dem Sommerurlaub wiederkommt und stolz den Daheimgebliebenen den Bauchnabel präsentiert, aber es ist definitiv die falsche Farbe für ein Bananenbrot. Und ich hege die Befürchtung, dass es auch noch versalzen war. Wer ahnt auch, dass sich hinter tsp. ein teaspoon, nicht ein tablespoon, versteckt :( So viele schöne Lebensmittel vergeudet. Und ein Heiratsantrag leichtfertig aufs Spiel gesetzt (Joseph: You are making banana bread? Will you marry me? I love banana bread?). Also hab ichs gestern noch einmal versucht und leicht paranoid alle fünf Minuten das arme Brot mit dem Messer gepiekst um zu schauen ob es schon durch ist. Und was soll ich sagen: Ein Traum von einem Brot. Seeehr lecker.

Nächstes Thema. Die Oscarverleihung steht an und ich habe da so ein komisches Gefühl. Wie die letzten paar Jahre schon erde ich mit Snacks vor dem Fernseher sitzen und kritisch Abendroben, Nominierungen und Laudatoren beäugen und kommentieren. Aber diesmal ohne meine filmverrückten Freunde :( und zu einer anständigen Uhrzeit! 8pm. Nicht als Pyjamaparty nach Mitternacht mit zwei Stunden Schlaf am nächsten Tag höchstens. This better be good! Ich hoffe, ihr schaut auch Mädels, die Oscars sind nicht das gleiche ohne euch. Andie, ich musste mir glatt selbstständig die Nominierungen für dieses Jahr heraussuchen, dafür bist du zuständig! Ich hab aufgehört, die Ausrufungszeichen in diesem Absatz zu zählen, es wird einfach eine seltsame Oscarnacht werden. Vielleicht sollten wir eine außerordentliche Skype Konferenz einberufen?

Noch ein Thema? Hab ich erzählt, dass ich dieses Jahr Salsa für mich entdeckt habe? Der Anfängerkurs mit Joseph letztes Jahr war schön, genug zum Blut lecken. Hier haben Anne (siehe Photo im November) und ich einen Salsaclub aufgetan, in dem einem für 10 Dollar Semesterbeitritt Schritte und Style (also Handrumgewurschtel und Hüftschwung) beigebracht werden. Letzten Donnerstag haben wir uns in eine Salsabar getraut, in der gerade ein Fortgeschrittenenkurs gegeben wurde. Wir Wagemutigen haben teilgenommen. Mir war so schwindlig hinterher und das Workout war mit 1 1/2 Stunden Jazz vergleichbar. Aber Spaß gemacht hats, so von links nach rechts und um 360° gewirbelt zu werden. Als Frau muss man allerdings alles Denken ausschalten und den Mann führen lassen. Was bekanntlich nicht so einfach ist. Ich versuche meist, vorauszuahnen welchen Schritt sich der Herr als nächstes einfallen lassen wird - und verrenke mir dabei fast den Arm, weil meine telepathischen Fähigkeiten leicht eingerostet sind und ich die unverhoffte Linksdrehung unter seinem Arm durch seltsamerweise nicht vorhergesehen hatte. Also sich führen lassen, wenn einem die Gelenke lieb sind. Und nur in diesem einen Bereich. Es hat auch sein Gutes. Der Herr hat die ganze Arbeit, und er macht sie am besten, wenn ich dabei gut aussehe. Ausdrehen, Luft holen, mit Schwung eindrehen, vertrauen, sich fallen lassen, Adrenalinkick, aufgefangen werden - und Lächeln!

À la prochaine

Wednesday, February 07, 2007

Auferstanden

nicht direkt aus Ruinen, aber anscheinend war unser Serverbrand doch nciht fatal und daher bin ich wieder unter cornelia@w2d.de zu erreichen. Jippieh. Für alle Neugierigen: Ich stelle die Mehrzahl der Québec City Photos auf meine Studiverzeichnis Seite.
Bis bald

Tuesday, February 06, 2007

Exxtrablatt

Hallo liebe Blogleser,
dies ist eine Kurzmitteilung, die den Zweck hat, das traurige Ableben meines Mailservers kundzutun. W2d ist eine Sicherung durchgebrannt und er wird wahrscheinlich nie wieder so, wie er (oder sie) mal war. Falls ihr mir seit Freitag abend etwas an meine cornelia/solara@w2d.de Adresse geschickt habt und euch wundert, warum noch kein jubelnder/wutentbrannter Antwortbrief bei euch eingetrudelt ist: Ich habe nichts bekommen. Wer in nächster Zeit mit mir brieflich verkehren will, der möge das an meine Uniadresse: cornelia.loos@mail.mcgill.ca tun.
Ein Beitrag zum vergangenen Wochenende, das ich in Québec City verbracht habe, folgt bald (und bald ist ein dehnbares Wort)
Conni

Thursday, February 01, 2007

Zwischenbericht DAAD

Ich hab mir gedacht, wenn ich schon Schweiß und Druckerschwärze an meinen Zwischenbericht für den DAAD verschwendet habe (und Claudis Zeit beim Korrekturlesen), sollte ich ihn vielleicht den Massen zugänglich machen :)

Was langweilig erscheint, bitte einfach überblättern oder neudeutsch runterscrollen:

Montréal – Je me souviens!



Gliederung
Einleitung – Die Stadt
Wohnen
Getting Around
Geld und Lebenshaltungskosten
Uni und Studium
Vorbereitungen
Unterrichtsstruktur
Fall Semester 2006
Abschlussbemerkung


Einleitung


Jede kanadische Provinz hat ein Motto, das prominent auf Wappen und Autokennzeichen prangt. Die Losung der Québecois lautet: Je me souviens!, und während sie sich damit an ihre französischen Wurzeln erinnern, annektiere ich den Spruch, um leicht nostalgisch das erste Semester in Montreal Revue passieren zu lassen.

Ich hatte Glück, dass ich in Montreal Freunde kannte, die mich vom Flughafen abholten und mich für die erste Zeit bei sich unterbrachten. Sonst wäre ich mir in diesen Tagen sicher etwas verloren vorgekommen. Da ich erst am 24. August an meinem Studienort ankam, hatte ich kaum mehr als eine Woche Zeit, eine Wohnung zu finden und mich einzuleben, bevor die Uni begann. Glücklicherweise fand ich nach ein paar Tagen meine perfekte, sonnendurchflutete Wohnung auf der Avenue du Parc (bald wahrscheinlich Robert-Bourassa-Allee) mit drei bezaubernden Mitbewohnerinnen. Und dann, am 5. September, begann die Uni und eh ich mich’s versah waren Dezember und das Semester vorbei. In der Zwischenzeit lernte ich kochen, Jazztanz, Gebärdensprache, neue deutsche und kanadische Freunde kennen - und nebenher auch ein bisschen Linguistik. Und ich stellte folgendes Wissenswertes zu den Montrealern fest:

Es gibt tatsächlich einige, die kein Wort englisch sprechen oder zumindest so tun. Also sollte man sein Schulfranzösisch doch wieder hervorkramen, denn wer dem Reiseführer glaubt, der behauptet, man käme in Montreal gut ohne französisch zurecht, der mag zwar überleben, wird aber vielerorts griesgrämigen Gesichtern begegnen, wo ein kleines Bonjour, Merci, Je voudrais… denselben Gesichtern ein Lächeln entlockt hätte. Der polyglotte Charme der Stadt bewirkt gleichzeitig, dass man sich schneller dazugehörig, weniger wie ein Ausländer, fühlt, weil man nur selten auf den eigenen Akzent angesprochen wird: In einer Stadt, in der fast jeder zwei oder mehr Sprachen spricht, sind Akzente an der Tagesordnung. Gibt man doch einmal die deutsche Nationalität preis, erntet man meist ein positiv überraschtes: „Oh, deutsch. Guten Tag. Ich sprecke ein bischen deutsch.“

Nicht nur der Akzent spielt hier kaum eine Rolle, was die Beurteilung von Menschen betrifft, auch die kulturelle oder ethnische Zugehörigkeit erregt in einer Metropole mit 14% „visible minority“ Anteil kaum Aufsehen. Ich möchte nicht behaupten, dass Montrealer weder Rassismus noch Vorurteile kennen, aber falls sie es tun, so ist mir noch nichts dergleichen begegnet. Es tut gut, in einer Stadt zu leben, in der nicht jeder den Kopf nach mir umdrehen würde, wenn ich mit meinem jamaikanischen Freund durch die Straßen spaziere – in Berlin-Köpenick, meinem Heimatbezirk, passiert mir das ständig.

Ein bisschen verschroben sind die Montrealer allerdings. Sie setzen sich abends oder am Wochenende in den nächsten Starbucks (oder wahlweise ins kanadische Pendant Second Cup), um in Gesellschaft zu lesen oder am Laptop zu arbeiten, und stöpseln andererseits ihren iPod ein, sobald sie vor die Haustür treten, um sich damit effektiv von der Außenwelt abzukapseln. Sie diskutieren ernsthaft über globale Erwärmung und packen gleichzeitig im Supermarkt jeden Artikel einzeln in Berge von Plastiktüten. Sie verbringen einen Großteil ihrer Freizeit auf dem Laufband im Fitnessstudio (aber hey, dafür sind die meisten auch echt gut in Form und man sieht viel weniger übergewichtige Menschen auf der Straße als in Deutschland). Wofür ich sie liebe: Sie haben am 31. Mai 2006 gemeinsam mit allen Quebecois das Rauchen aus öffentlichen Gebäuden verbannt. Kein blauer Dunst verschleiert mehr das Essen im Restaurant, die Luft im Club reicht für mehrere Stunden und wenn man heimkommt, stinkt man vielleicht nach Schweiß, sicher aber nicht nach einer Räucherbude. Wären da nicht die vielen Autoabgase auf der Straße, könnte man fast glauben, man atme überall gesunde, frische Luft ein.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen zu Montreal(ern) folgen nun ein paar Tipps zum Leben in der Stadt.

Wohnen

Um eine zentral gelegene, erschwingliche Wohnung zu finden, braucht es Zeit. Ich verbrachte ca. eine Woche damit, durch die Gegend zu fahren und mir Zimmer anzuschauen. Dabei habe ich festgestellt, dass teuer nicht unbedingt mit gut gleichgesetzt werden sollte. Die zwei wichtigsten Fragen, bevor man einen Besichtigungstermin festmacht, sind: Welche Nebenkosten sind im Preis inbegriffen (mit anderen Worten, wie viel muss ich unter dem Strich monatlich wirklich zahlen)? Und: Hat das Zimmer ein Fenster? Ich habe mindestens drei Wohnungen besichtigt, in denen man mir ein fensterloses Zimmer andrehen wollte! Dabei gibt es durchaus erschwingliche Unterkünfte mit Ausblick. In meinem jetzigen Domizil in Mile End zahle ich 300 CAN$ inklusiver aller Nebenkosten (Internet exklusive). Zugegeben, das Zimmer misst ca. 3x3m, aber dafür hab ich ein Fenster, einen sonnigen, parkettierten Aufenthaltsraum und laufe ca. 25 Minuten bis zur Uni.

Nicht zu empfehlen ist das so genannte McGill Ghetto, das sich an die Milton Gates der Uni anschließt, denn dort wohnen vor allem partyfreudige Erstsemester, und man zahlt zudem Wucherpreise von 550 CAN$ (kalt) aufwärts. Um vor Abreise schon mal ein Gefühl für Preise und Lage zu entwickeln, würde ich empfehlen, sich nach Erhalt der MINERVA Pin auf den Webseiten von McGill Off Campus Housing, den Wohnungsinseraten auf McGill Classified und Uni-unabhängig auf Craigslist Montreal umzuschauen. Off campus Housing führt eine Liste mit wertvollen Tipps zur Wohnungssuche, Rechten des Mieters und Vermieters sowie einen Stadtplan mit den Wohnvierteln, ihrer Beliebtheit unter Studenten und durchschnittlichen Mietpreisen. Mile End und das Plateau sind meiner Meinung nach ideale Viertel, weil die Entfernung zur Uni kurz und die Nähe zu den Ausgehstraßen St. Laurent und St. Denis groß ist. Aber egal wie gut euch die Wohnung gefällt, schließt keine Verträge von Deutschland aus ab, sondern wartet, bis ihr vor Ort seid und sie euch anschauen könnt. Eine deutsche Freundin hatte sich ihr Zimmer online herausgesucht und musste den ersten Monat über eine Stunde lang Bus fahren, um in die Innenstadt zu gelangen, weil sie am äußersten westliche Zipfel der Île de Montréal wohnte. Glücklicherweise konnte sie dann nach Verdun umziehen, übrigens auch ein hübsches Viertel mit Mietpreisen um die 300 CAN$. Auf der grünen Metrolinie braucht man ca. eine halbe Stunde bis zur Innenstadt.

Getting around

Apropos Metro. Im Gegensatz zu vielen amerikanischen Großstädten verfügt Montreal über ein sehr gutes Nahverkehrsnetz, d.h. mit 5 Metrolinien und über 300 Buslinien kommt man an jeden Zipfel der Insel. Zudem sind Monatskarten für Studenten relativ preiswert: Mit einer sogenannten Carte Privilège für Studenten kann man für 35 CAN$ monatlich Bus und Metro nutzen. Wer sich lieber sportlich betätigt, findet möglicherweise unter dem oben erwähnten McGill Classified einen Drahtesel. Von meinen DAAD-Vorgängern habe ich gehört, dass sie zumindest bis Dezember Fahrrad fahren konnten, ohne dass ihnen die Finger oder diverse andere Körperteile erfroren wären.

Geld und Lebenshaltungskosten

Um Aufwand und Gebühren zu sparen, empfiehlt es sich, ein Konto bei der Deutschen Bank zu eröffnen. Deren Partnerschaft mit der Nova Scotia Bank erlaubt, mit der EC-Karte der Deutschen Bank gebührenfrei in allen Scotia Bank Filialen kanadische Dollar abzuheben. Bankautomaten gibt es zum Beispiel auf der Sherbrooke Street direkt gegenüber dem Main Campus sowie auf dem Campus im Shatner Building (offiziell William Shatner University Center) und auch sonst ist die Bank im Stadtkern gut vertreten.

Für eventuelle Notfälle und um größere Summen zu bezahlen, ist zudem der Besitz einer Kreditkarte angeraten, wobei Mastercard meiner Erfahrung nach genauso angesehen ist wie Visa. Wer beispielsweise vorhat, für Ausflüge einen Mietwagen zu leihen, möchte die mehrere hundert Dollar hohe Kaution vielleicht lieber mit Plastik als in bar bezahlen.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein kanadisches Konto einzurichten. Ich persönlich bezahle meine Miete monatlich bar und besitze keinen Handyvertrag, sodass mein DB Konto vollkommen ausreicht. Wer sich dennoch für ein kanadisches Konto entscheidet, dem ist die Bank of Montreal zu empfehlen, da sie für Studenten ein gebührenfreies Konto anbietet.

Was die Lebenshaltungskosten in Montreal betrifft, so kommt man nach meinen zugegebenermaßen groben Schätzungen mit 60 CAN$ pro Woche gut aus. Je nach Studienfach können anzuschaffende Kursmaterialien zu Semesterbeginn ein Loch in die Haushaltskasse schneiden, aber dafür gibt es zum Beispiel Haven Books und den McGill Bookstore, die gebrauchte Lehrbücher an- und verkaufen. Sollte man dort nicht fündig werden, bleibt immer noch amazon.ca Used Books.

Was mich zu Beginn meines Aufenthaltes irritiert hat, ist, dass man auf jede gekaufte Ware ca. 6% Steuern hinzuaddieren muss, weil diese im Gegensatz zu Deutschland nicht bereits im ausgeschilderten Preis enthalten ist. Nichts ist so billig, wie es scheint.

Preisliche Unterschiede zwischen Deutschland und Kanada in Bezug auf Lebensmittel findet man zum Beispiel bei Milchprodukten, insbesondere Käse, der hier einfach nicht günstig zu bekommen ist. Brot im deutschen Sinne gibt es zwar zu kaufen, aber erst ab 3,50 CAN$ aufwärts. Auf der anderen Seite ist die Vielfalt an Obst- und Gemüsesorten überwältigend und deren Preise sind auch in den Wintermonaten bezahlbar. Und vor allem sind alle Lebensmittelgeschäfte – vom Großmarkt (z.B. Provigo, IGA) bis zum Supermarché um die Ecke – 7 Tage die Woche bis 23 Uhr geöffnet.

Auch der Kochmiesmuffel muss nicht verhungern, bzw. Bankrott anmelden. Jedes größere Einkaufszentrum hat mindestens einen Food Court mit kulinarisch multikulturellen Imbissbuden, an denen man bereits für 5-6 CAN$ satt wird. Sollte doch mal Ebbe in der Studentenkasse herrschen, so findet man in McGill’s Midnight Kitchen Zuflucht. Die studentisch organisierte Küche im Shatner Building bietet montags bis mittwochs vegane Gerichte gegen eine kleine Spende an. Nur Teller und Besteck sollte man mitbringen.

Wer überlegt, sich in Montreal neu einzukleiden oder die (bitter nötige) Wintermontur erst vor Ort zu kaufen, dem sei geraten, den Nachweihnachtsschlussverkauf Ende Dezember bis Ende Februar abzuwarten, denn so richtig kalt wird es eh erst nach Weihnachten und dann bekommt man warme Wintermäntel bereits ab 70 CAN$.

Uni und Studium

Vorab ein paar Worte zu McGills Studienkultur: Die meisten Studenten strahlen einen für mich erstaunlichen Enthusiasmus für ihre Kurse aus. Egal ob es sich um Economics 201 oder fernöstliche Philosophie 306 handelt – jeder ist mit Feuer und Flamme dabei. Die Hemmschwelle, im Unterricht Fragen zu stellen, auch simple Verständnisfragen, ist weitaus geringer als in meinen Seminaren in Deutschland. Kontakte zu Dozenten sind persönlicher: Ich erinnere mich z.B. gern an die Potluckparty bei unserem Spracherwerbsdozenten, der Studenten (ja, auch Undergraduates) und Kollegen zu sich nach Hause geladen hatte. Lehrkräfte haben oder nehmen sich Zeit für ihre Studierenden. Ich habe hier viel Ermutigung erfahren, nach meinem Abschluss einen PhD in Linguistik an der McGill in Erwägung zu ziehen und bin für diese motivierende Anerkennung, die ich von Deutschland her nicht gewohnt bin, sehr dankbar.

Vorbereitungen

Ich hatte mich entschlossen, in Montreal Linguistik zu studieren, weil ich durch mein Anglistikstudium in Leipzig Interesse an der allgemeinen Sprachwissenschaft entwickelt hatte und meine Theoriekenntnisse auf diesem Gebiet ausbauen wollte. Des Weiteren reizte mich die Zweisprachigkeit (oder sollte ich sagen Mehrsprachigkeit, denn in Montreal trifft man weitaus mehr Sprachen auf der Straße an als Englisch und Französisch) der Stadt und die sich dadurch ergebende Möglichkeit, Kontakt zwischen den Sprachen zu untersuchen. Noch während ich mich beim DAAD bewarb, schrieb ich Lisa Travis, Dozentin im Linguistikinstitut an der McGill, erläuterte ihr mein Vorhaben und erkundigte mich nach Kursen, deren Inhalten und Schwierigkeitsgraden. Das war nicht nur günstig für meine Bewerbung, denn der DAAD hatte ja ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die Kontaktaufnahme zur Wunschuni begrüßen würde, sondern es war auch hilfreich, einen Ansprechpartner in Montreal zu haben, um meinen Studienplan auszuarbeiten. Für genauere Informationen zum Lehrkörper und der Qualität der Lehrveranstaltungen würde ich allerdings empfehlen, auch zum Fachschafsrat Kontakt aufzunehmen und sich direkt von den Studenten beraten zu lassen. Die wissen am besten, welche Kurse sich lohnen und um welche man lieber einen Bogen machen sollte.

Unterrichtsstruktur

Generell fand ich die Struktur des nordamerikanischen Semesters sehr ansprechend, weil ich mich in ca. 12 Unterrichtswochen intensiv mit ca. 5 Themengebieten beschäftigt habe – und das erscheint mir insofern effektiv, weil ich (hoffentlich) viel von dem behandelten Stoff behalten werde und mich kompetent fühle, mein Wissen praktisch anzuwenden. Die Unterrichtswoche ist hier in 2 „Schichten“ eingeteilt, Montag-Mittwoch-Freitag und Dienstag-Donnerstag. MMF-Fächer werden dreimal die Woche für jeweils eine Stunde gelehrt, DD-Fächer zweimal wöchentlich für eineinhalb Stunden. Im Gegensatz zu meinem deutschen Curriculum, in dem ca. 10 verschiedene Fächer stehen, die in eineinhalb Stunden pro Woche abgehandelt werden, erlaubt die geringere Kurszahl von 4-5 hier, sich auf ein Themengebiet zu konzentrieren, vermehrt dazu zu lesen und lässt Zeit, im Unterricht Fragen zu diskutieren. Dabei ist die Klassenstärke nicht immer erheblich kleiner als in Deutschland. In einem meiner 300 Level Kurse saßen ca. 60 Leute, trotzdem wurde auf jede Frage eingegangen.

Die Anzahl an Credits, die pro Kurs vergeben werden, variiert von Institut zu Institut, daher kann ich mich hier nur über Linguistik äußern. Jeder Kurs, egal ob Einführung (200 Level) oder Graduate Seminar (600-700 Level), ist 3 Credits wert, und die Mindestanzahl an Credits pro Semester, um als Vollzeitstudent zu gelten, sind 12 Credits. Man muss also mindestens 4 Kurse belegen. Wer hauptsächlich gehobene Undergraduate und Graduate Seminare besuchen will, sollte sich überlegen, einen davon vielleicht nur zu „auditen“ (als Gasthörer teilnehmen), weil die Arbeitslast sonst zu groß wird. Um die vorgeschriebenen 4 Kurse einzuhalten, könnte man z.B. einen Einführungskurs in einem völlig anderen Fachgebiet belegen, z.B. Introduction to Canadian Studies (CANS 201), und dabei etwas über die Kultur und Geschichte unseres Gastlandes erfahren.

Fall Semester 2006

Nach Absprache mit Lisa Travis und meinem Linguistikdozenten in Leipzig entschied ich mich, im Herbstsemester folgende Kurse zu belegen:

Language Acquisition I, Morphology, Second Language Acquisition, Psychology of Deafness, Syntax II (Gasthörer)

Meine Erwartungen an diese Kurse wurden zum Großteil erfüllt: Von Morphologie und Syntax hatte ich mir vor allem den Ausbau von Theoriekenntnissen erhofft, von den beiden Spracherwerbskursen eher praktische linguistische Erfahrung und zu Psychology of Deafness hatte mich das Interesse an Zeichensprachen gelockt. Es folgen ein paar kurze Bemerkungen zu den einzelnen Kursen:

Language Acquisition I (LING 355) – Der Kurs gibt eine gute Einführung in Themengebiete, Fragen und Methoden der Spracherwerbsforschung aus generativer Sicht. Da ich bereits einen Kurs zum Spracherwerb in Leipzig belegt hatte, der auf einem funktionellen Verständnis von Sprache basierte, bot dieser Kurs einen guten Vergleich und ließ mich empirische Befunde erkennen, die als Pfeiler für die respektiven Ansätze fungieren und von der „gegnerischen“ Seite Erklärungsbedarf haben. Störend empfand ich, dass ein erheblicher Teil des Unterrichts darauf verwendet wurde, theoretische Grundlagen der Syntax zu erläutern, weil Studenten mit unterschiedlichen Vorkenntnissen im Kurs saßen.

Morphologie (LING 440) – Dieser Kurs wurde abwechselnd von einer Syntax- und einem Phonologiedozentin/en unterrichtet und hinterließ den Eindruck, dass Morphologie eher die Schnittstelle dieser beiden Disziplinen bildet, als ein eigenständiges Forschungsgebiet zu sein. Positiv fand ich, dass offene Probleme der Morphologie dargestellt wurden – allerdings oftmals ohne Lösungsansätze vorzustellen. Fest steht, dass der Kurs in mir das Interesse an der Morphologie gefestigt hat und ich im Wintersemester den Graduate Kurs „Fundamentals of Morphology“ besuchen werde.

Second Language Acquisition (LING 455) – Zweitspracherwerb ist das Spezialgebiet von Prof. Lydia White, der Leiterin des Linguistikinstituts an der McGill. Diesen Kurs habe ich nicht nur aus dem oben bekundeten Interesse am Sprachkontakt belegt, sondern weil es eine einzigartige Chance war, von einer der Koryphäen des Gebiets unterrichtet zu werden. Außerdem bot der Kurs die Möglichkeit, sich praktisch auszuprobieren, da ein Teil der Kursnote ein eigenes Projekt zum Thema Zweitspracherwerb war. Ich erarbeitete ein Experiment zu wh-Fragen im Englisch von ASL-Muttersprachlern (ASL = American Sign Language), führte es durch und wertete es in Form eines Papers aus. Die Arbeit am eigenen Projekt war sehr befriedigend (oder hätte es sein können, wenn ich signifikante Ergebnisse erzielt hätte) und ich könnte mir durchaus vorstellen, meine Magisterarbeit im Bereich Zweitspracherwerb zu schreiben.

Syntax II (Gasthörer) – Ich entschied mich, Syntax II zu „auditen“, weil ich zunächst von den Anforderungen überwältigt war: Ich habe zwar in Leipzig eine Einführung in generative Syntax (sogar MP) gehört, fühlte mich aber nicht sicher genug, um die syntaktischen Probleme zu bearbeiten, die uns gestellt wurden. Im Nachhinein ist mir klar, dass es den anderen Kursteilnehmern wahrscheinlich ähnlich ergangen ist und ich mich nur hätte überwinden müssen. Trotzdem habe ich viel in Syntax II gelernt und fühle mich mittlerweile kompetent genug, Papers zu syntaktischen Phänomenen zu lesen und zu verstehen. Das ist vor allem Prof. Lisa Travis zu verdanken, dank der auch die komplexeren Ideen aktueller Syntaxtheorie relativ verständlich wurden.

Psychology of Deafness (PSYC 316) – Meine anfängliche Begeisterung für diesen Kurs legte sich nach ca. einem Monat, als wir noch immer über generelle Definitionen von Taubheit sprachen, ohne tiefer in die Thematik einzutauchen. Das Lehrbuch erwies sich als wenig detailliert (bei einem exorbitanten Preis von 150 CAN$) und ähnlich an der Oberfläche kratzend wie der Kurs selbst. Ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr in die speziellen psychologischen Implikationen von Taubheit eintauchen. Stattdessen wurde versucht, das Thema von möglichst vielen Seiten zu beleuchten – wodurch wie gesagt jede Facette nur oberflächlich angeleuchtet wurde. Allerdings habe ich dank diesem Kurs außeruniversitär einen ASL Sprachkurs begonnen, den ich im Wintersemester fortsetzen werde. Zeichensprachen interessieren mich seit einigen Jahren und mit zunehmender Kenntnis von ASL würde ich mich in Zukunft auch gern linguistisch mit ihnen beschäftigen.

Abschlussbemerkung

Montreal ist eine faszinierende Stadt. Die Erfahrung, an der McGill zu studieren, Menschen unterschiedlichster Gesinnung kennen zu lernen, Freundschaften zu schließen, die sicherlich das Austauschjahr überdauern werden – all das sind unschätzbare Erlebnisse, die nicht nur meine professionelle, sondern auch meine persönliche Entwicklung positiv beeinflusst haben. Ich möchte mich beim DAAD für diese einzigartige Erfahrung aufs Herzlichste bedanken und hoffe, dass mein Bericht neben der Vermittlung praktischer Tipps vor allem Vorfreude auf das Austauschjahr weckt.