Tuesday, October 31, 2006

Poppies

Während der 11.11. bei uns (oder zumindest in Köln) die fünfte Jahreszeit einläutet, gedenkt man in Kanada und anderen Ländern der Welt an diesem Tag der Gefallenen des ersten Weltkrieges sowie aller Kriege. Die "tollen" Tage sind hier dann bereits ausgetobt, alle Geister haben zum All Halos' Eve (Halloween) ihren Spaß getrieben; am 11.11., dem Remembrance Day, wird anderen Gesellen - den Geistern der Vergangenheit - Tribut gezollt.
Zur elften Stunde des elften Tages des elften Monats 1918 trat der langersehnte Waffenstillstand in England und Frankreich in Kraft, und ein fünfjähriger, kräftezehrender und menschenverachtender Krieg fand ein Ende. Mir war bis vor kurzem nicht bewusst, wie groß Kanadas Beteiligung an diesem ersten Weltkrieg gewesen ist. Laut wikipedia kämpften mehr als 600,000 Kanadier auf den europäischen Schlachtfeldern, und mehr als 60,000 ließen ihr Leben. Viele von ihnen gingen freiwillig, um der "Mutter" Großbritannien zu helfen, erst 1917 wurde eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt. In welcher Form der Weltkrieg die Daheimgebliebenen, die "Heimatfront" betraf, lässt sich meiner Meinung nach gut in Rilla of Ingleside, einem Nachfolgeband von Anne of Green Gables, nachlesen. Da habe ich auch zum ersten Mal gehört, dass 1917 zur Wahl erstmals auch Frauen an die Urne durften, allerdings nicht alle, nee, Gott bewahre. Aber all jene, deren Brüder, Söhne oder Ehemänner an der Front waren. Vertretungsweise, sozusagen.
Heute erinnern Mohnblumen an die Greuel des Krieges: Auch ich hab mir eine ans Revers heften lassen, schon weil sie das graue Montréal ein wenig freundlicher machen. Die Mohnblumen - poppies - entstammen dem wohl bekanntesten Gedicht über den 1. Weltkrieg, und stellt euch vor, es wurde von einem Kanadier geschrieben, nicht von einem Briten, wie ich Unwissende bisher annahm: Soldat John McCrae schrieb "In Flanders Fields" 1915, und es verbreitete sich in Windeseile unter den alliierten Soldaten, erschien in allen Zeitungen und ist heute ein fester Bestandteil der Remembracne Day Festlichkeiten. Daher möchte ich es euch nicht vorenthalten:

In Flanders Fields

In Flanders fields the poppies blow,
Between the crosses, row on row,
that mark our place; and in the sky,
The larks, still bravely singing, fly,
Scarce heard amid the guns below.

We are the dea. Short days ago,
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved and were loved, and now we lie,
In Flanders fields.

Take up our quarrel with the foe:
To you from failing hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.

Nicht gerade pazifistisch, dafür aber umso trauriger, schöner - pathetischer.
Wir haben soviel mit dem zweiten Weltkrieg zu tun, dass wir den ersten ganz vergessen.

Tuesday, October 17, 2006

Die Verwandlung

Beim Folgenden müsst ihr euch Hitchcock-unter-der-Dusche Musik vorstellen, deren Lautstärke langsam anschwillt und in einem ohrenbetäubenden Dumdumdumdum Shriek! Crescendo endet, bis jemand den Duschvorhang zur Seite zieht.
In meinem Fall war es eher der Schleier des Schlummers, der relativ unsanft zur Seite gezogen wurde, als frühstücksbezogene Aktivitäten in der Küche meine wohlverdiente Nachtruhe beendeten. Ich ließ mich dadurch zunächst nicht stören, drehte mich auf die andere Seite und vertraute darauf, dass mein getreuer Wecker um Punkt 9 Uhr schrill losgehen würde. Nur um sicher zu gehen, wagte ich nach geraumer Zeit doch mal einen Blick auf die Uhr, deren Zeiger so gar nicht zur 9Uhr-Stellung passen wollten. Beide waren viel zu nah an der 12. Fieberhaftes Rattern in meinem Kopf: ein Zeiger vor der 12, einer kurz dahinter. Es war 5 Minuten nach 11Uhr und ich hatte wahrscheinlich das erste Mal in meinem Leben den Wecker überhört!
Ich, Conni, die eine Fliege des Nachts rülpsen hören kann und davon aufwacht! Die sich des Morgens grummelnd aus dem Bet hievt, um den Radiowecker auszuschalten, und sich dabei die Ohren zuhalten muss, während Joseph, der sich scheinbar von einer Militärblaskapelle wecken lässt, friedlich weiterschläft!
Ich hatte allerdings nicht viel Zeit, diese Verwandlung meines gewissenhaften, Wecker-achtenden Selbst zu beklagen, denn eine neue Rechenaufgabe beanspruchte all meine grauen Zellen:
Am Dienstag, also heute, steht mein Language Acquisition midterm an. Das ist 20% der Note wert. Habe ich es schon verpasst? Wann hätte ich denn Unterricht? Also, Syntax II fängt um 10 an und geht anderthalb Stunden, also bis 11:25. Zehn Minuten später geht das Midterm los. Ich habe also noch 30 Minuten, um mich anzuziehen, meine Sachen in die Tasche zu pfeffern und zum Bus zu hechten.
Um den Rest der Geschichte zusammenzufassen: Ich bin aus dem Bett gehechtet, habe in Windeseile Klamotten übergeworfen und Papier und Stift geschnappt, bin zur Bushaltestelle und habe es tatsächlich geschafft, rechtzeitig zum Midterm da zu sein. Und auch noch was halbwegs Vernünftiges zu Papier zu bringen.
Aber meinen Wecker ziehe ich heute abend besonders sorgfältig auf!

Saturday, October 14, 2006

Christ-mess

Weihnachten gestaltet sich schwieriger, als ich dachte. Ich weiß nicht, ob Sies wussten, aber meine letzte Prüfung ist am 21. Dezember. Und eine Prüfung vorzuverlegen, ist hier eine größeres Unterfangen. Man muss ein Formular ausfüllen, auf dem man angibt, warum man denn unbedingt früher fliegen muss - schließlich wusste man ja von Anfang an, dass die Examenszeit bis zum 22. geht. Als ob dieses Wissen die Tatsache besser erträglich macht, dass ich bis zum 23. hier sitze und darauf warte, nach Hause zu fliegen. Also werd ich am Montag all mein schauspielerisches Talent zusammenkratzen und mit den möglichen Flügen ins Büro des Associate Dean of Arts spazieren und fragen, wies mit nem early exam aussieht. Ich, ich hab doch solches Heimweh und ich kann mir den teuren Flug doch nicht leisten und meine liebe Omi ist schon über 80 und möchte mich doch zu diesem Fest unbedingt um sich haben.
Ich hab das eben meiner Mitbewohnerin erzählt und sie restlos überzeugt.
Mal schauen, wies bei der Bürokratie wirkt. Die ist ja normalerweise durch sowas nicht zu beeindrucken. Liegt vielleicht auch daran, dass sie schon zu viele solcher Geschichten gehört hat.
Es ist ja aber auch was dran; ich möchte wirklich unbedingt zu Weihnachten nach Hause kommen und der Gedanke, am Weihnachtsmorgen aus dem Flieger zu steigen und in Josephs Armen zu landen (hab in letzter Zeit zu viele Romanzen gelesen) versöhnt mich mit der Tatsache, dass ich möglicherweise auf den letzten Drücker komme.
Solange ich da bin, wenn die bunten Teller verteilt werden, wenn der Baum geschmückt wird, wenn die Familie anrückt, um Kartoffelsalat mit Würstchen zu essen und Geschenke auszupacken (was wünscht ihr euch eigentlich? was "typisch" Kanadisches?), dann bin ich glücklich. Schade, dass mein Cousinchen dem Weihnachtsmannalter entwachsen ist. Eigentlich könntest du ja so tun, als glaubtest du noch an den Weihnachtsmann, Twailer, schon um uns alten Leutchen einen Gefallen zu tun. Wir würden doch gern noch an den alten bärtigen Mann glauben, aber wie stünden wir denn dann da, hm?
Gerad vor ein paar Stunden hab ich Joseph vorgeschwärmt, wie sehr ich mich auf das Weihnachtsfest freue, und klar verziert und poliert man Erinnerungen an frühere Feste. Ich sehe uns zum Beispiel um den Weihnachtsbaum sitzen und Lieder singen und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das noch nie gemacht haben. Sollten wir dieses Jahr aufgreifen. Außerdem sehe ich mich am Fenster stehen, fröhliches Gelächter im Wohnzimmer und ich schaue verträumt und rundum zufrieden nach draußen, und was sehe ich da (außer den schlumpfeisblauen Weihnachtsdekos unserer Nachbarn)? Schnee natürlich, weißen, sanft herniederfallenden Schnee. Auch nicht sehr wahrscheinlich, dass wir den bekommen, eh? Aber ich schätze, Ende dieses Winters werde ich so viel Schnee zu Gesicht bekommen haben, wie ich für mehrere Jahre vertragen kann. Also, ums nochmal zusammenzufassen: Wir essen, singen und tanzen um den Weihnachtsbaum, und halten uns daran, jeden mit nur einem Geschenk zu bedenken. Und dann ist der Abend vorbei, die Nacht bricht an, und der krönende, stille Abschluss der Nacht besteht darin, die Mitternachtsmesse in der Friedrichshagenener Kirche zu besuchen. Um die Zeit kommt meist die jüngere Generation, man trifft Freunde und Bekannte aus Schultagen, an die man das ganze Jahr nicht gedacht hat, aber es ist trozdem nett sie zu sehen, irgendwie beruhigend, à la "life goes on but some things never change". Das Christspiel wird von der jungen Gemeinde organisiert, was bedeutet: jedes Jahr ne neue Idee aber meist genauso lausige Schauspieler wie letztes Jahr (some things never change). Aber letztendlich geht es ja um die Botschaft, nicht den Überbringer....oder so.
Die Kirche ist angenehem warm und nur durch Teelichter erleuchtet und man kann den Tag friedlich ausklingen lassen.
Als ich Joseph diesen letzten Teil ausmalte, wandte er leicht indigniert ein, mein Kirchgang wäre ja doch eher "bedeutungslos"(da er deutsch sprach, übersehe ich diese eher unfreundliche Bemerkung und nehme an, er wusste nicht, dass das Wort in dem Kontext eher verletzend klingt). Sicher, die Prozedur und das Gebet haben für mich nicht die gleiche Bedeutung wie für ihn, ehrlich gesagt schüttle ich manchmal den Kopf über die Ansprache der Pastorin. Ich gehe hin, um mich an den Geist der Weihnacht zu erinnern, ums poetisch auszudrücken. Um zu sehen, dass Weihnachten nicht nur laut und materiell ist und um den Tag Revue passieren zu lassen. Und um eine schöne Geschichte zu hören und um Weihnachtslieder zu singen. Geht ihr zu Weihnachten in die Kirche? Und wenn ja, wieso? Comments erwünscht.

Monday, October 09, 2006

apple-picking







Bild 2
Das ist die Conni. Die Conni hat heute Äpfel gepflückt und sich ganz köstlich dabei amüsiert. Sie hat mindestens 4 Äpfel verdrückt, während sie so vor sich hinsammelte. Und dabei festgestellt, dass MacIntoshs eindeutig am besten schmecken.

Bild1
Dabei ist sie auf diverse Bäume geklettert und hat sogar eine wacklige Leiter erklommen. Was tut man nicht alles für die Kunst. Ach ja, ganz alleine war sie natürlich nicht. Von unten nach oben: Adam, Katheryne, Matt und iche. Fehlt noch jemand. Kommt gleich.

Bild 3
Tata, fertig sind wir, voll unser Korb. Nochmal die gleiche Truppe, hier aber mit Photographin. Direkt neben mir: Anne. Studiert in Konstanz und ist meine einzige Möglichkeit, hier hin und wieder mal deutsch zu sprechen.

Saturday, October 07, 2006

Magick

Mein Rock ist verzaubert. Oder besser gesagt, er bezaubert. Ich meine den London-Rock, den ich letztes Jahr auf dem Camden Market erstanden habe, braun, gemustert, mit Pailletten besetzt. Katha, weißt du noch, wie wir letzten Herbst einen nächtlichen Spaziergang durch die Innenstadt gemacht haben, nur um unsere Röcke auszuführen. So in der Art bin ich heute am Vieux Port, der Altstadt Montréals entlanggeschlendert und habe mir die Läden angeschaut, eine Reihe tiefroter und gelber Bäume bestaunt und einem Sänger & Entertainer gelauscht, wie er Hotel California sang und die Zuhörer animierte, mitzusingen und zu tanzen. Es lag Ferienduft in der Luft. Der alte Hafen wird nun mal hauptsächlich von Touristen frequentiert und dementsprechend viele Cafés, Restaurants und Souvenirshops gibt es da. Eigentlich wollte ich mich mit einer Freundin treffen, aber ich stand an der falschen Haltestelle (das wär ja nicht das erste Mal, hätte beinah mein Valentinsdate verpasst, weil ich zur richtigen Zeit am falschen Ort war). Also bin ich allein herumgewandert. Und habe ganze drei Komplimente eingeheimst.
Das ging schon auf dem Hinweg los, ich hatte kaum die Straße betreten und musste einem Radfahrer leicht ausweichen, der sich prompt mit den Worten entschuldigte: "Excusez-moi, belle madame". Ich kanns nicht ändern, ich kann von solchen Bemerkungen einen ganzen Tag zehren. Aber damit nicht genug, auch der Sänger am Vieux Port bemerkte "Nice dress" als ich meinen "Eintritt" für sein Open Air Konzert zahlte. Eine ältere Dame in der Métro hatte das gleiche Prädikat zu vergeben. Nicht nur, dass sich mein Körper aufrichtete, der Gang etwas tänzelnder wurde und ich mich wie ein junges Mädchen von 17, oder eigentlich wie eine Mademoiselle, fühlte, es erleichterte auch die Kommunikation zu meiner Umwelt. Es macht Spaß, jung und sorglos durch die Straßen zu spazieren.

Season of Mellow Fruitfulness

Ich saß bis eben auf dem Balkon und ließ die unerwartet warme Sonne auf Arme und Gesicht scheinen und mich ordentlich durchwärmen. Die letzten Tage waren entweder mild und verregnet oder sonnig und kalt. Heute gibts das Beste abgeschöpft aus allem: Wärme und Sonne. Und als wäre das nicht schon genug, erwartet mich auch noch ein Päckchen aus der Heimat, das vom Postamt (Drogerie) abgeholt werden will. Vorfreude, schönste Freude. Ach ja, apropos Vorfreude, meine weihnachtliche Vorfreude hat gestern abend einen leichten Dämpfer erhalten. Hat man doch meine letzte Klausur auf den 21. Dezember gelegt! Kann ich doch erst am 22. in ein Flugzeug gen Heimat steigen. Hach, und der 22. Dezember ist noch sooo lange hin.
Egal, bis dahin werden hier die Freuden des erfolgsdruckfreien Lernens und Lebens genossen. So war ich doch Donnerstag abend tatsächlich tanzen, obwohl ich am nächsten Tag Uni und sogar einen Morphologietest hatte? Würd ich mir in Leipzig nicht erlauben, weil mein schlechtes Gewissen auf und ab hüpfen und mir vorhalten würde, ich sollte lernen statt mich zu amüsieren. In die Ecke, Gewissen, seis gewesen, denn ich hatte mich vorbereitet und konnte eh nicht mehr tun und habe statt dessen drei Stunden lang wirklich Spaß in der Disko gehabt. Die einzige Befürchtung, die mich dort quälte war, wie viele Haarnervenzellen ich bei der Lautstärke gerade abtöte. Ob ich irgendwann die Bettmilben nicht mehr husten hören kann.
Damit der Sahne (oder Devon Cream) meines Lebens nicht genug. Gestern abend war ich zu einer musikalischen Soirée bei einer Freundin geladen. Jeder war aufgefordert, Interessantes, Neues oder einfach Geliebtes aus der privaten Musikbox mitzubringen. Wir waren zu fünft, womit die Obergrenze einer solchen Zusammenkunft erreicht ist. Schließlich möchte jeder gern ein wenig von sich hören lassen und wenn 20 Leute im Raum sind, kann jeder vielleicht 2 Titel spielen. Außerdem erfordert so ein Zusammensein ein gewisses gegenseitiges Vertrauen, schließlich gewährt man dem anderen Einblick in seine musikalischenVorlieben und muss bereit sein, sich ein wenig zu öffnen. Nicht, dass ich von irgendjemandem in unserem Alter erwarten würde, dass er mit dem Finger auf mich zeigt und hämisch verletzend auflacht: Haha, hörst du etwa Zitterthaler Schürzenjäger?
Trotzdem.
Nachdem wir es uns mit Smarties, Cookies, einer Schale rotbackiger Äpfel und Tortilla Chips gemütlich gemacht hatten, wurde die Runde durch Loreena McKennitts (I hereby apologize for any misspellings) "In Praise of Christmas" eröffnet, passend zur Frostwarnung, die für die vorangegangene und auch für die folgende Nacht angekündigt sind. Ich erinnere mich nicht mehr an alles Gehörte, aber von Philip Glass über Yann Thiersen bis zu Beck und einem afrikanischen Swahili-Stück war die Mischung bunt. Es macht einen irgendwie nachdenklich, wenn man so junge Spundte(?) von 20 sieht, für die weder Philip Glass noch Yann Thiersen Neuland sind, wenn man sie selbst gerade erst entdeckt hat. Was ich selbst beigetragen habe? Manu Chao, Mattafix, Ärzte, DeVotchka (How it ends, aus dem Trailer zu Everything is Illuminated - one gorgeous piece of music), Jackson Five (I want you back). Mattafix lag mir am Herzen, weils ein Stück Popkultur ist, dass in Nordamerika nicht richtig Fuß gefasst hat. So hab ich mich sozusagen selbst zur Mäzenin erhoben.
Ich hatte kaum deutsche Künstler bei mir, also hab ich am Ende Schrei nach Liebe von den Ärzten gespielt und simultan übersetzt. Da es die gewünschten Lacher erzielt hat, kann die Übersetzung so abwegig nicht gewesen sein.
Mit anderen Worten, ich hatte einen richtig schönen Abend. Und ich habe herausgefunden, dass das Instrument in DeVotchkas "How it ends" ein Theremin ist. Und das funktioniert so.

Monday, October 02, 2006

suggestiv

die ersten Vorschlaege fuer deutsche Kueche sind soeben eingetroffen: suess-saure Eier (koennte mir entfallen sein, weil ich die nicht esse, bah) und Auflaeufe. Und Kartoffeln, Kartoffeln, Kartoffeln, als Hauptgericht, nicht als Gemuesebeilage. Danke, Steffi

And on top of that...

So, jetzt sind wir definitiv als verrueckt abgestempelt:
In meinem Morphologieseminar ging es gerade um Compounds, also zusammengesetzte Woerter. Und um zu zeigen, wie weit man das Spiel im Deutschen treiben kann um ganz besonders lange, atemberaubende Woerter zu schaffen, bekamen wir ein Beispiel vorgesetzt, dass jeder Deutsche mindestens zweimal taeglich verwendet:

Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitaenskajuetentuerschluessel

Sunday, October 01, 2006

Kulturbrücken aus Hermanns Biergläsern

Tja, wer glaubt, die Kanadier unterschieden sich in ihren Vorstellungen von Deutschland großartig von ihren Nachbarn im Süden, der irrt. Sie wissen zwar im Gegensatz zu manchen Amis, dass die Mauer gefallen ist und sogar wann und dass Angela Merkel bei uns momentan den Laden schmeißt, aber auch sie glauben, dass wir das Bier mit der Muttermilch aufsaugen. Oder doch zumindest ab 11 Uhr morgens mit dem Trinken beginnen. Als Brotzeit, sozusagen.
Es ist allerdings schwerer als gedacht, gegen solche Vorurteile - oder sollte ich sagen Übergeneralisierungen? vorzugehen. Was können die Kanader denn dafür, dass sie Deutschland mit Bayern gleichsetzen? Reiseveranstalter, die Europa-14-Tage-Trips anbieten, jagen den gehetzten Nordamerikaner schließlich von einem Highlight zum nächsten: Eiffelturm, Big Ben, Hofbräuhaus...da bleibt keine Zeit für die Weltzeituhr oder gar die Bremer Stadtmusikanten. Deutschland ist Oktoberfest, Eisbein, Sauerkraut und manchmal auch nach großzügigem geographischen Ausholen gen Süden, Schnitzel.
Lamentieren hilft nichts? Man müsse positive Gegenbeispiele setzen? Ja, aber woher nehmen? Ich habe heute abend gekocht, und ratet mal, was ich meinen Mitbewohnerinnen urdeutsches vorgesetzt habe: gebratenen Fisch in Karotten-Curry-Sauce mit Reis in Kokosnussmilch. Halt typisch deutsch. Was sind denn typisch deutsche Gerichte, wenn man die Schweinshaxe mit Sauerkraut, die ich eh noch nie gegessen habe, mal ausspart? Dies möge als Aufruf an die zahlreichen Leser und Leserinnen meiner Kolumne gelten, sich an meiner Statt den Kopf ein wenig zu zerbrechen und zu überlegen, was deutsche Cuisine ausmacht.
Einen Anlauf habe ich genommen, deutsche Kochkunst zu verteidigen. In meinem Eifer, unsere Küche als verwegen und exotisch darzustellen, bin ich leicht übers Ziel hinausgeschossen und habe Hermann porträtiert. Jetzt denken meine Mitbewohnerinnen, die spinnen, die Deutschen, brauchen 10 Tage, um einen Kuchen zu backen, geben ihm alle 5 Tage was zu futtern und lassen ihn den Rest der Zeit vor sich hingären. Das kann doch nur in totaler Ineffizienz und verdorbenem Magen enden...